John Holloway: Wir sind die Krise des Kapitals … und stolz darauf

Leseprobe

Wenn Wir also die Kräfte hinter den Rissen sind, wie können wir uns als Störkraft verstehen, die diese schreckliche Dynamik der Zerstörung aufbrechen kann? Eine offensichtliche Feststellung ist: »Wir sind es, natürlich sind Wir es, das wissen Wir, aber unsere Brüche sind wie Vulkanausbrüche. Sie sind sporadisch, gelegentlich und erscheinen nicht allerorts zu jeder Zeit gleich intensiv.« Wenn wir uns umsehen, wenn wir uns die Menschen hier in diesem Raum ansehen, dann erkennen wir sicherlich, dass unsere Kraft hier und dort eine aufbrechende ist, eine Kraft, die die Struktur der kapitalistischen Herrschaft aufbricht. Wir alle durchbrechen auf die eine oder andere Weise die Dynamik, die kohäsive Logik des Kapitals, indem wir sagen: »Nein, tut uns leid, aber wir werden es nicht so machen; wir werden es anders machen, uns in die entgegengesetzte Richtung bewegen.« Das sind Risse in der dicht gewobenen Struktur der Herrschaft, in der wir leben.

Was sind diese Risse? Manche Risse lassen sich leicht erkennen, nehmen wir – nun schon zum sechsten oder siebten Mal – nehmen wir die Zapatist*innen. Wenn man die zapatistischen Gebiete in Chiapas betritt, passiert man ein Schild, auf dem steht: »Die schlechte Regierung muss draußen bleiben, hier regiert das Volk.« Das ist eine deutliche Erklärung, die besagt, dass Wir auf diesem Territorium in die entgegengesetzte Richtung gehen. Wir werden die Regierung nicht hinein lassen und Wir werden der Logik der Regierung nicht folgen. Wir werden der Logik des Kapitals nicht folgen. Wir werden uns auf andere Weise organisieren. Wir werden eine andere Form von Bildung schaffen, die sich in eine andere Richtung bewegt. Wir werden eine Gesundheitsversorgung organisieren, die in eine andere Richtung geht, ein Justizsystem, das nicht in die Kategorien des Kapitals passt. Das ist ein gut sichtbarer Riss. Ein fantastischer, herrlicher Riss, der seit 20 oder mehr Jahren besteht.

Erschienen im Unrast-Verlag, 2017.